Positionspapier

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Für einen Neustart der deutschen Industrie

27. Mai 2020

Die Corona-Pandemie hat viele Wirtschaftszweige und vor allem die Automobilindustrie und den Maschinenbau hart getroffen. Während sich in China die Automobilproduktion langsam auf einem deutlich reduzierten Niveau stabilisiert, verharren die Fertigungszahlen in Amerika und in Europa weiterhin nahe dem Nullpunkt. Ein Aufschwung ist noch nicht in Sicht.

Unabhängig von der Absatzkrise durch Corona sind die Unternehmen inmitten der Transformation ihres Geschäftsmodells und ihres Produktportfolios. Die Investitionen in neue Produkte, Prozesse und Maschinen sind auch ohne die aktuelle Lage nur unter größten Anstrengungen zu schultern.

Die ArGeZ setzt sich dafür ein, die Automobilproduktion in Deutschland und Europa mit einer Neustart-Prämie aus der Erstarrung zu lösen. Vor allem zur Unterstützung der mittelständisch geprägten Zuliefererindustrie ist eine solche Neustart-Prämie überlebenswichtig.

Lage der Zuliefererindustrie

Die deutsche Automobilindustrie zeichnet sich vor allem durch eine breit gefächerte, innovative und zukunftsfähige Zuliefererindustrie aus. Neben den großen Systemlieferanten existieren alleine im Verbund der ArGeZ rund 10.000 Unternehmen, die mit einer durchschnittlichen Beschäftigtenzahl von knapp 120 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern durchweg mittelständisch geprägt sind.

Diese Unternehmen haben in der aktuellen Krisensituation massive Auftrags- und Umsatzeinbrüche hinzunehmen. Die Fertigung von PKW in Deutschland ist im April um rund 97% auf nur noch knapp 11.000 Stück eingebrochen, d. h. von 30 Tagen im April wurde nur ein einziger Tag produziert. Bei Betrachtung der ersten vier Monate des laufenden Jahres beläuft sich der Rückgang auf -38% im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Der Ausblick für den weiteren Jahresverlauf und auch auf 2021 sieht nur dann eine leichte Erholung, wenn die Produktion in den nächsten Wochen wieder anläuft. Einen länger anhaltenden Stillstand können die Unternehmen nicht lange durchhalten.

Eine aktuelle Umfrage in der Metall- und Elektroindustrie verdeutlicht die dramatische Lage: Im Mai meldeten 60% der Unternehmen Kurzarbeit an, mehr als 1,55 Mio. Beschäftige sind davon derzeit betroffen. Für die kommenden Wochen rechnen weitere 21% der Unternehmen mit Kurzarbeit, das wären weitere 420.000 betroffene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Einkommen, das den privaten Haushalten für den Binnenkonsum fehlt.

Trotz der bereits intensiv genutzten und hilfreichen Unterstützungsmaßnahmen der Bundesregierung würden Entlassungen unumgänglich, wenn sich die Absatzsituation nicht alsbald verbessern und die Nachfrage verstetigen würde.

Eine aktuelle Umfrage in der deutschen Aluminiumindustrie deutet dies bereits heute an: Bei unveränderten Marktbedingungen bis August 2020 werden 57% der Unternehmen Personal freisetzen müssen. Spätestens bis zum Ende des Jahres wären rund 77% der Unternehmen dazu gezwungen.

Gerade die vielen mittelständischen Familienunternehmen sind das Herz und Rückgrat der industriellen Wertschöpfung in Deutschland. Oftmals im ländlichen Raum beheimatet, sorgen sie durch ihr Gewerbesteueraufkommen und ihr Engagement für den Erhalt regionaler Strukturen, Beschäftigung vor Ort und Wohlstand über Generationen. Ein großer Teil dieser Unternehmen hängt direkt und zu großen Teilen von der automobilen Lieferkette in Deutschland und Europa ab. Eine Auflösung der Erstarrung würde der gesamten Industrie eine Perspektive geben, die Planungssicherheit in den Unternehmen erhöhen und zur Sicherung der Beschäftigung und zum Überleben der Unternehmen nicht nur im Mittelstand beitragen.

Dies gilt nicht nur für Deutschland. Auch in anderen Regionen Europas, wie z.B. in Norditalien, braucht die mittelständische Zulieferindustrie dringend Impulse für einen Wiederanlauf der Produktion.

Neustart-Prämie als Brücke in die Zukunft

Der Rückgang der PKW-Produktion in Deutschland und Europa ist vor allem der eingebrochenen Nachfrage auf den relevanten Märkten geschuldet. Die Neuzulassungen in Europa sind nach Angaben des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) im April um mehr als 78% eingebrochen, in den ersten vier Monaten um knapp 40%.

Der Ausblick auf das Gesamtjahr 2020 fällt zwar uneinheitlich, aber grundsätzlich sehr pessimistisch aus. IHS, eines der führenden Marktforschungsinstitute, erwartet ein Marktminus von 26%. McKinsey und BCG erwarten einen Rückgang von bis zu 35%. Auch für 2021 bleiben die Perspektiven deutlich eingetrübt. Auch wenn gegenüber 2020 ein kleiner Zuwachs wahrscheinlich ist, wäre das Jahresergebnis noch immer 10% bis 15% unter dem Niveau von einem bereits schwachen Jahr 2019. Damit wären gerade die kleinen und mittelständischen Unternehmen der Zuliefererindustrie in ihrer Existenz gefährdet.

Die Kaufzurückhaltung muss schnellstens überwunden werden, um die Fertigung entlang der gesamten automobilen Lieferkette wieder in Ganz zu bringen. Nur so wird es gelingen, die Arbeitsplätze und auch Existenzen der Unternehmen in der Breite zu sichern.

Aus Sicht der ArGeZ sind für einen erfolgreichen Neustart vier Elemente wichtig:

  • Technologieneutrale Anschaffungsanreize mit breiter Wirkung
    Anreize über alle Segmente und neue Technologien sowie für alle Kundengruppen gleichermaßen müssen geschaffen werden. Einen begrenzten Fokus auf ausgewählte Antriebstechnologien oder Fahrzeugsegmente zu setzen, wird der Krisensituation nicht gerecht. Auch Verbrennertechnik der neusten Generation im Austausch gegen ältere Modelle würde einen nicht unerheblichen Beitrag zum Klima- und Umweltschutz leisten.

  • Schnelle Umsetzung
    Eine längere Debatte über die Umsetzung und Ausgestaltung führt zu weiterer Kaufzurückhaltung. Damit ist die Lieferkette länger zum Stillstand gezwungen, mit den unvermeidbaren Konsequenzen für Beschäftigung und Unternehmensexistenzen.

  • Bürokratiearm
    Nur einfach anzuwendende, einfach zu berechnende Hilfen finden schnelle Anwendung.

  • Einmaliger Anschub
    Es geht um einen einmaligen und zeitlich befristeten Anschub, nicht um dauerhafte Unterstützung. Dies schwächt gegenläufige Vorzieh- und Mitnahmeeffekte ab und beschränkt die Kosten.

Die im Jahr 2009 eingeführte Umweltprämie wird im Rückblick sehr unterschiedlich bewertet. Gerade das Argument, dass vor allem die großen deutschen und ausländischen Hersteller von der Prämie in Deutschland profitiert haben, springt aber in der Bewertung deutlich zu kurz.

Von den rund 2 Millionen damals geförderten PKW wurden rund 1,75 Mio. in den Werken innerhalb Europas gefertigt. Bei der PKW-Fertigung entfallen rund drei Viertel der Wertschöpfung auf die Zulieferindustrie, die auch vom Standort Deutschland aus die europäischen OEM beliefern. Die Umweltprämie hat damit signifikant dazu beigetragen, die Beschäftigung in der Zuliefererindustrie zu sichern.

Die Automobilindustrie hat den größten Hebel auf die industrielle Struktur und den Wohlstand in Deutschland. Es gilt jetzt, diesen Hebel klug und kraftvoll einzusetzen.

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