Nach verregnetem Sommer erwarten die deutschen Zulieferer auch für den Herbst eine schlechte Geschäftslage. Positive Signale aus der Politik sind jetzt dringend erforderlich.
Der Sommer 2023 war überwiegend verregnet. Wer mit Blick auf die deutsche Zulieferindustrie nun auf einen heiteren Herbst spekuliert, wird sich in ein paar Wochen enttäuscht sehen. Das Stimmungsbild des Rückgrads der deutschen Wirtschaft trübt sich weiter ein. Im August fällt das ifo-Geschäftsklima der deutschen Zulieferer zum sechsten Mal in Folge. Inzwischen deutlich im roten Bereich angelangt, liegt das Geschäftsklima durch den jüngsten Rückgang um 5,8 Saldenpunkte nur noch bei -21,9 Punkten. Brisant dabei: Sowohl bei den Erwartungen für die kommenden sechs Monate als auch bei den Beurteilungen der aktuellen Geschäftslage liegen negative Dynamiken zu Grunde. Notieren erstere gleichwohl bereits seit längerem im negativen Saldenbereich, kehrt die Bewertung der aktuellen Geschäftslage erstmals seit November 2020 unter die Neutralitätsschwelle. So liegt die Lageeinschätzung im Saldo bei -7,5 Punkten. Nur noch jedes fünfte Unternehmen bewertet die Geschäftslage dabei als „gut“.
Zulieferer, die in den kommenden sechs Monaten Besserung Erwarten, sind demgegenüber sogar noch exotischere Exemplare. So sind lediglich 7% der Befragten vorsichtig optimistisch. Knapp die Hälfte hingegen sieht in den kommenden Monaten zunehmende konjunkturelle Schwierigkeiten auf die Industrie zukommen. Waren die vergangenen Jahre durch Schocks im Zusammenhang mit der Coronapandemie, den Lieferkettenproblemen und dem Krieg in der Ukraine sowie etwaigen Nachholeffekten geprägt, zeichnet sich mehr und mehr die eklatante Schwächung des Wirtschaftsstandortes Deutschland durch eine strukturelle Krise ab. Wo kurzfristige Schocks durch agiles Unternehmertum und staatliche Stützen lange Zeit noch abgefangen werden konnten, geht es nunmehr bedrohlich an die Substanz.
Der industrielle Mittelstand hat im Gegensatz zu seinen Kunden oftmals nicht die Möglichkeit, den schlechten regulatorischen Wettbewerbsbedingungen auszuweichen. Reißt der Gesetzgeber das Ruder nicht umgehend um, folgt auf einen verregneten Sommer ein bitterkalter und sehr langer Winter.
Die Liste der Handlungsfelder ist lang. So setzen die mittelständischen Zulieferbetriebe als Energieträger vor allem Strom und Gas ein. Die Herstellung bzw. Verarbeitung z.B. von Aluminium und Stahl, von Gießerei-Produkten sowie von Kunststoffen und Textilien verbraucht zum Teil erhebliche Energiemengen. Die Preise dafür am Standort liegen weit über denen anderer Industrienationen, wie z.B. Frankreich oder den USA. Die Wettbewerbsfähigkeit geht jeden Tag weiter verloren. Automobilzulieferer stehen aber in einem harten internationalen Wettbewerb. Die Hersteller vergeben Zulieferteile bevorzugt an Betriebe in Regionen mit deutlich niedrigeren Energiekosten. Zulieferer, die ihre Produktion nicht ins Ausland verlagern können, brauchen daher schnell eine substanzielle Absenkung der Energiepreise. „Ein zeitlich begrenzter Industriestrompreis ab dem 1.1.2024, der auch den industriellen Mittelstand ohne Hürden erreicht, ist dringend erforderlich,“ so Christian Vietmeyer, Sprecher der ArGeZ.
Beim Bürokratieabbau müssen wir viel schneller vorankommen. Dieser Appell richtet sich nicht nur an die Politik, sondern auch an die Automobilhersteller und großen Tier 1-Unternehmen. Unter dem Label Nachhaltigkeit werden kleinere Zulieferer mit immer neuen Erklärungs- und Dokumentationspflichten überschwemmt. Im Rahmen des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes und der sozialen Nachhaltigkeit bekommen mittelständische Zulieferer umfangreiche Fragebögen mit zum Teil denselben absurden Fragen zugestellt. Dieses ist vom Gesetzgeber in einer solchen belastenden Form gar nicht gewollt und lässt jedes Augenmaß vermissen. “Die mittelständischen Zulieferer leiden schon genug unter staatlicher Bürokratie. Da müssen die Automobilhersteller mit ihren überbordenden Fragenbögen nicht noch ständig draufsatteln,” so Christian Vietmeyer, Sprecher der ArGeZ.
Der industrielle Mittelstand ächzt unter dem Arbeits- und Fachkräftemangel. Die Verfügbarkeit von Arbeitskräften ist nach einer Verbandsumfrage des WSM für Betriebe der Stahl- und Metallverarbeitung der wichtigste Parameter bei der Entscheidung über Erweiterungsinvestitionen. Die qualifizierte Zuwanderung und die Vereinfachung der Aufnahme der bereits im Land befindlichen arbeitenden Migranten mit unsicherem Aufenthaltsstatus müssen forciert werden.
Ansprechpartner: Christian Vietmeyer, cvietmeyer@wsm-net.de, +49 211 95 78 68 -22