Der Transportsektor steht in den nächsten Jahren vor einer großen Herausforderung. Spürbar sinkende Emissionen von umwelt- und klimarelevanten Emissionen verlangen nach einem Paradigmenwechsel in der Antriebstechnik. Welche zukünftig die Technik der Wahl sein könnte, ob es überhaupt eine einzige Technik geben wird oder ob ein Nebeneinander verschiedener Antriebstechnologien notwendig sein wird, ist derzeit noch offen. Welche Technologien jeweils zum Einsatz kommen können, muss faktenbasiert abgewogen werden. Sicher scheint, dass die Energiebereitstellung für die individuelle Mobilität in Form von oder durch die Nutzung von regenerativ erzeugter elektrischer Energie erfolgen wird. Ob aus diesem regenerativ hergestellten Strom z.B. E-Fuels erzeugt werden, die Speicherung des Stroms in Batterien an Bord der Fahrzeuge zum Abruf im Bedarfsfall erfolgt (BEV) oder die Elektrizität in Brennstoffzellen aus regenerativ hergestelltem Wasserstoff erst an Bord erzeugt wird, ist noch völlig unklar.
Die ArGeZ fordert daher, dass sich die politische Förderung strikt technologieneutral verhalten muss. Das marktwirtschaftliche Prinzip, dass sich die technisch beste Lösung im Wettbewerb der Technologien entwickeln und durchsetzen muss, führt zu Innovationen, die tatsächlich und ohne staatliche Förderung in großer Zahl zum Einsatz kommen. Staatlicher Dirigismus dagegen birgt die Gefahr, dass falsche Wege beschritten werden und zielführende Optimierungen nicht zum Zuge kommen können.
Die von großen Teilen der deutschen Politik, einigen Fahrzeugherstellern und Staaten, wie z.B. China, derzeit favorisierte batterieelektrische Antriebstechnik weist nach dem heutigen Stand der Technik auch erhebliche Nachteile auf. CO2 entsteht nicht nur bei Herstellung, Auslieferung und Entsorgung der E-Mobile. Auch und insbesondere ihr Betrieb führt beim aktuellen deutschen Strommix zu erheblichen CO2-Emissionen. Trotzdem sollen sich nach dem vorherrschenden politischen Willen die Investitionen in den Netzausbau, die Ladeinfrastruktur und in Subventionen auf rein batterieelektrisch betriebene Fahrzeuge konzentrieren. Das Ziel der Bundesregierung, 2020 einen Bestand von 1 Mio. Elektrofahrzeugen in der Flotte zu haben, ist indes nicht mehr zu erreichen.
Grundvoraussetzung für eine weitgehende Klimaneutralität der individuellen Mobilität ist die Umstellung der Herstellung elektrischer Energie auf regenerative Methoden sowie die Speicherung und verbrauchsabhängige Bereitstellung des auf diesem Wege hergestellten Stroms. Insofern schafft Deutschland mit der sog. Energiewende bereits die Voraussetzungen. Allerdings sind die Strompreise in Deutschland dadurch mittlerweile so hoch wie fast nirgends auf der Welt. Der CO2-freie Anteil an der deutschen Stromproduktion (regenerativ und Kernkraft) hat 2018 bereits 47,4% erreicht. Trotzdem werden immer noch knapp 500g CO2/kWh emittiert. Die verfrühte unter politischem Druck erfolgende Einführung batterieelektrischer Fahrzeuge ist unter diesen heutigen Umständen sogar ökologisch kontraproduktiv.
Alternative emissionsfreie Mobilitätskonzepte werden nicht faktenbasiert diskutiert und in der Folge kaum unterstützt. Die Politik ist einerseits bereit, den Aufbau von Batterieherstellungskapazitäten zu unterstützen. Andererseits erfolgt dies bei der Erweiterung der Herstellungskapazität von z.B. E-Fuels nur in extrem eingeschränktem Umfang. Auch die Anrechnung von E-Fuels auf die CO2-Emissionen von PKWs wurde zunächst auf 2023 verschoben. Dabei bieten E-Fuels eine gute Chance, Herstellung und Verbrauch regenerativer Energie zu synchronisieren. Der Nachteil von Wind- und Solarenergie ist ja, dass sie von Wetterphänomenen und der Tageszeit abhängig und daher zumeist nicht mit dem Bedarf zu synchronisieren sind. Sie muss also gespeichert werden. Dazu sind E-Fuels ideal geeignet. E-Fuels können sowohl in Brennstoffzellen wieder in Strom umgewandelt werden (für emissions-freies Fahren in urbaner Umgebung) als auch in klassischen verbrennungsmotorisch getriebenen Fahrzeugen CO2-neutral eingesetzt werden.
Langfristig wird eine Koexistenz verschiedener Antriebstechniken notwendig sein, um die Belange aller Mobilitätsaufgaben klimaneutral befriedigen zu können. So sind im ländlichen Raum andere Antriebstechniken für die dort geforderten längeren Reichweiten notwendig als in urbaner Umgebung mit dem dort verfügbaren dichten ÖPNV-Angebot mit höherem Elektrifizierungsgrad. Im Transportsektor wiederum braucht es für die Langstrecke andere Lösungen als für den Verteilerverkehr. Verbrennungsmotoren können nicht nur mit synthetischen, aus regenerativ erzeugter Energie hergestellten Kraftstoffen betrieben werden. Sie werden darüber hinaus auch in Hybridfahrzeugen benötigt, deren Reichweite den konventionellen Fahrzeugen entspricht. Heute eingesetzte Verbrennungsmotoren, ob Benzin oder Diesel, sind auf einem hohen technischen Niveau, gerade was Emissionen (Feinstaub, NOx) anbelangt. Sie können und sollten weiterhin – in Verbindung mit regenerativ hergestellten Kraftstoffen dauerhaft – betrieben werden. Gerade regenerativ hergestellte Kraftstoffe wären zudem der einzige Weg, den CO2-Ausstoß des Fahrzeugbestandes sofort signifikant zu senken, ohne ihn – wiederum CO2-intensiv – durch Neufahrzeuge austauschen zu müssen.
Die deutsche Zulieferindustrie appelliert daher an die Politik, die Förderung der neuen Mobilität technologieneutral zu gestalten. Dies würde dazu beitragen, die Veränderungen der Antriebstechnik schnell, aber möglichst kosteneffizient und eben auch sozialverträglich zu gestalten. Nur ein technologieoffenes Vorgehen bewahrt das Know-how der Zulieferindustrie und sichert ihren Wettbewerbsvorteil. Darüber hinaus wird es notwendig sein, auch alle Sharing-Konzepte zu unterstützen, deren Entwicklung in hohem Maße von den Innovationen beim autonomen Fahren bis zum Level 5 abhängen wird.
September 2019